Gehaltstransparenz im Unternehmen – kann das funktionieren?

  • In zahlreichen Firmen ist das Gehalt ein Tabuthema. Was die Kollegin, der Kollege verdient? Darüber spricht man nicht offen. Warum scheuen sich so viele Unternehmen davor, das Thema Gehalt offen anzugehen? Wie gehen Sie selbst mit der Frage, wie viel Sie verdienen, um? Während man beispielsweise in den USA beim Thema Gehalt viel auskunftsfreudiger ist, wird im deutschsprachigen Raum daraus immer noch ein großes Geheimnis gemacht. Offen sagen, wie viel man verdient? Nur 69 Prozent verraten laut einer Umfrage der Karriere-Plattform Stepstone ihrer (Ehe-)Partnerin oder ihrem (Ehe-)Partner die Zahl auf der Gehaltsabrechnung. Und im beruflichen Umfeld ist die Verschwiegenheit deutlich höher. Nur jede vierte Person (26 Prozent) gab an, dass die Kolleginnen und Kollegen tatsächlich wissen, wie viel er oder sie verdient. Dabei ist der Wunsch nach Gehaltstransparenz groß. 86 Prozent der Befragten befürworten, dass Gehälter öffentlich gemacht werden. Unternehmen tun sich jedoch schwer damit, dies auch umzusetzen. Dabei kann die Lohntransparenz doch einige Vorteile bringen.

Was ist unter Gehaltstransparenz zu verstehen?

  • In Schweden und Norwegen wird Gehaltstransparenz sehr weitreichend gelebt. Dort sind individuelle Steuerzahlungen seit Jahrzehnten öffentlich. Man weiß somit, was der Kollege, die Chefin, der Nachbar verdient (= distributive Lohntransparenz). Hierzulande ist dies wohl aufgrund des Datenschutzrechts nicht möglich. Gehaltstransparenz kann aber auch über durchschnittliche Entgelthöhen oder mittels Lohnbändern erzielt werden, also anonymisiert und nicht einzelnen Personen zuordenbar. Wie viel wird bei konkret definierten Gruppen von Mitarbeitenden, die gleiche oder gleichwertige Arbeit leisten, im Schnitt aufgeschlüsselt nach Geschlecht ausgezahlt? Bei dieser sogenannten prozeduralen Gehaltstransparenz geben Unternehmen auch Auskunft über die Kriterien für Einstufung, Überzahlung, Extravergütungen und Gehaltserhöhungen. Diese Einteilung in Gehaltsgruppen gibt einen Eindruck, wie viel je nach Qualifikation verdient wird. Nur für jeden vierten Befragten (23 Prozent) ist die Gehaltsentwicklung im Unternehmen, in dem sie aktuell tätig sind, klar verständlich, so das Jobportal karriere.at.

Die Vorteile von Gehaltstransparenz

    • Nachvollziehbare Karrierepfade und Entwicklungschancen für Mitarbeitende: Unter welchen Bedingungen wird man befördert oder bekommt eine Gehaltserhöhung? 
    • Werte wie Gemeinschaft, Fairness und Chancengleichheit werden in der Unternehmenskultur gestärkt. Equal pay, also die gleiche Bezahlung für gleiche Jobs und vergleichbare Leistung, ist dabei ein Muss. 
    • Transparente Vergütungsregeln erhöhen das Gefühl von Fairness und die Zufriedenheit. Nur wenn für jeden nachvollziehbar ist, wer warum wie viel verdient, fühlen sich die Mitarbeitenden gerecht behandelt. 
    • Unternehmen haben die Personalkosten leichter im Griff. Unnötig hohe Gehaltserhöhungen, etwa um ausgewählte Mitarbeitende um jeden Preis halten zu wollen, werden verhindert. 
    • Es machen keine Falschinformationen oder Gerüchte die Runde, denn es kann über konkrete Zahlen gesprochen werden.
    Gehaltstransparenz bedeutet jedenfalls nicht das Ende von leistungsabhängiger Bezahlung. Entscheidend ist jedoch, dass die Leistungsunterschiede klar ersichtlich sind, damit individuell ausgestaltete Gehaltsschemata auch als fair akzeptiert werden.

Auskunftsrecht: Darf ich wissen, was meine Kollegen verdienen?

  • In der EU wurden im Vorjahr mit der EU-Entgelttransparenzrichtlinie neue Vorschriften zur Lohntransparenz beschlossen. Sie soll bis Juni 2026 in nationales Recht umgesetzt werden. Im Fokus steht dabei der Abbau von Lohndiskriminierung und des geschlechtsspezifischen Lohngefälles. Demnach müssen Unternehmen ab einer bestimmten Größe die von ihnen gezahlten Durchschnittslöhne – aufgeschlüsselt nach Geschlecht – je nach Gruppe von Mitarbeitenden, die gleiche oder gleichwertige Arbeit wie sie selbst verrichten, veröffentlichen. Wenn das geschlechtsspezifische Lohngefälle 5 Prozent übersteigt, sind Maßnahmen zu ergreifen, damit dieses sinkt. In Fällen von Lohndiskriminierung lag die Beweislast bisher immer bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Mit der EU-Entgelttransparenzrichtlinie wird das Unternehmen in die Pflicht genommen, nachzuweisen, dass es dabei nicht zu Verstößen kommt. Verpflichtende Einkommensberichte dieser Art (anonymisiert, es besteht eine Verschwiegenheitspflicht) gibt es in Österreich für Unternehmen mit über 150 Mitarbeitenden bereits seit über zehn Jahren.

Tipps für die Umsetzung von Gehaltstransparenz im Unternehmen

    • Ist das Konzept grundsätzlich für das Unternehmen geeignet? Ist die Gehaltsstruktur bereits zu verworren oder ist gar mit Neid und Missgunst zu rechnen? Je geringer die Gehaltsunterschiede aktuell sind und je weniger Mitarbeitende im Unternehmen sind, desto einfacher ist die Umsetzung.
    • Betrachten Sie die Einkommen der einzelnen Mitarbeitenden und überprüfen Sie, ob Sie bestehende Unterschiede mit validen Argumenten rechtfertigen können.
    • Es gibt unterschiedliche Formen des transparenten Gehalts. Von fixen Gehaltsklassen bis klar definierten Zusatzvergütungen (von leistungsbezogenen bis zu Sonderzahlungen für jedes Kind). Es sind objektive Kriterien zu entwickeln, nach denen das Gehalt der Mitarbeitenden ermittelt wird. 
    • Um die Akzeptanz unter den Mitarbeitenden zu erhöhen, sollten diese bereits in der Planungsphase miteinbezogen werden. 
    • Mittels einer Testphase, an der Mitarbeitende freiwillig teilnehmen können, kann wertvolles Feedback eingeholt werden, um etwaige Schwächen zu erkennen.
    • Wenn man als Unternehmen Gehaltstransparenz ernst nimmt, dann ist es ratsam, mit seinen Teams gemeinsam über Faktoren zu sprechen, die die Gehaltsfindung beeinflussen – oder sie im Idealfall sogar gemeinsam zu definieren.
    Top 5 Argumente gegen ein höheres Maß an Vergütungstransparenz aus Sicht der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber (Quelle: Kienbaum Trendstudie Gehaltstransparenz)
    • generelle Vorbehalte im Management (34 Prozent der Befragten)
    • datenschutzrechtliche Bedenken (31 Prozent)
    • Unsere Gehaltsentscheidungen folgen zu wenig einer klaren Systematik, als dass wir die Ergebnisse in der Breite transparent machen könnten. (30 Prozent)
    • Wir befürchten, dass unser Vergütungssystem nicht gut genug nachvollziehbar ist und es daher zu Unzufriedenheit bei den Beschäftigten kommt. (28 Prozent)
    • Es spricht nichts dagegen. (22 Prozent)

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